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Ausnahmen zur Restschuldbefreiung – Deliktsforderungen

Was sind Deliktsforderungen?


Bestimmte Verbindlichkeiten sind von der Erteilung der Restschuldbefreiung gemäß § 302 InsO ausgenommen. Diese besonderen Forderungen – und nur diese – können Gläubiger auch noch nach Erteilung der Restschuldbefreiung geltend machen und müssen vom Schuldner bezahlt werden.

Es handelt sich hierbei um:

  • Geldstrafen und gemäß § 39 Abs. 1 Ziffer. 3 InsO gleichgestellte Verbindlichkeiten wie Geldbußen, Ordnungs- und Zwangsgelder sowie Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten
  • zinslose Darlehen zur Begleichung des der Kosten des Insolvenzverfahrens
  • und deliktische Forderungen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung.

Dies sind Forderungen wegen Vermögensschäden, die durch Straftaten entstanden sind, wie z.B.

– Betrug / Kreditbetrug

– Steuerhinterziehung

– Nichtabführen von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung

– Körperverletzungen, Diebstahl, Unterschlagungen, Sachbeschädigungen etc.

– Unterhaltsrückstände, die vorsätzlich pflichtwidrig nicht gezahlt worden sind

oder Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 170 StGB

– Auch Steuerverbindlichkeiten gehören hierzu, wenn eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer  Steuerstraftat (insbesondere Steuerhinterziehung)  nach §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung erfolgt ist.

Wie werden deliktische Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet?

Der Gläubiger muss bei Anmeldung der Forderung Tatsachen angeben, aus denen sich nach seiner Einschätzung ergibt, dass es sich bei der Forderung um eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung, eine vorsätzlich pflichtwidrige Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht, einer Steuerstraftat etc. handelt (§ 174 Abs. 2 Insolvenzordnung) .

Was passiert nach der Anmeldung einer Deliktsforderung?

Das Insolvenzgericht informiert den Schuldner über diese besondere Forderungsanmeldung. Es weist auf die Möglichkeit zum Widerspruch gegen die Forderung insgesamt oder hinsichtlich des Deliktmerkmals hin.

Wird der Forderung nicht widersprochen, ist sie endgültig festgestellt und die Forderung ist von der Erteilung der Restschuldbefreiung gemäß § 302 InsO ausgenommen.

Wird der Forderung insgesamt oder hinsichtlich des Deliktsmerkmals widersprochen, kann vom Gläubiger oder Schuldner eine endgültige Entscheidung herbeigeführt werden.

Wie kann man sich gegen Deliktsforderungen verteidigen?

Zunächst sollten bei Gericht die Unterlagen, mit denen der Gläubiger seine Deliktsforderung begründet, angefordert oder eingesehen werden. Ergibt sich aus den Unterlagen, dass die Voraussetzungen für eine Deliktsforderung nicht gegeben sind, kann die Forderung hinsichtlich des Deliktsmerkmals bestritten werden. Ist die Forderung insgesamt nicht begründet, kann sie auch insgesamt bestritten werden.

Das Gericht wird den Widerspruch gegen das Deliktsmerkmal und/oder die Forderung insgesamt in die Insolvenztabelle eintragen. Auch wenn der Schuldner der Auffassung ist, dass die Forderung nicht besteht, kann der Insolvenzverwalter die Forderung anerkennen. Zum Deliktsmerkmal gibt er jedoch keine Erklärung ab!

Wie geht es nach einem Bestreiten des Deliktsmerkmals weiter?

Wenn der Gläubiger die Auffassung vertritt, dass das Deliktsmerkmal gegeben ist, kann er auf Feststellung klagen, dass eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung vorliegt. In diesem Fall wird das Gericht prüfen , ob tatsächlich eine Deliktsforderung vorliegt. Stellt das Gericht fest, dass eine Deliktsforderung vorliegt, ist die Forderung von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgenommen.

Umgekehrt kann auch der Schuldner darauf klagen, dass festgestellt wird, dass keine Deliktsforderung vorliegt. Wird der Klage stattgegeben, ist die Forderung von der Erteilung der Restschuldbefreiung umfasst.

Achtung: Wenn der Schuldner dem angemeldeten Deliktsmerkmals widerspricht und weder der Gläubiger noch der Schuldner eine Feststellungsklage erheben, kann der Gläubiger nach Erteilung der Restschuldbefreiung einen vollstreckbaren Auszug aus der Insolvenztabelle beantragen und daraus die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. In diesem Fall kann der Schuldner gegen den Gläubiger Vollstreckungsgegenklage erheben. Der Gläubiger muss dann darlegen und beweisen, dass es sich um eine Deliktsforderung handelt. Zu diesem Zeitpunkt liegt der Grund für die Forderung meist mehr als sechs Jahre zurück, so dass es für den Gläubiger schwierig wird, den Beweis zu führen.

Zusammenfassung:

Auch wenn das Gericht bei Anmeldung einer Deliktsforderung dem Schuldner ein Belehrungsschreiben übersendet, ist es für einen Laien kaum möglich festzustellen, ob tatsächlich alle Voraussetzungen und Merkmale einer Deliktsforderung gegeben sind. Bei Zweifeln hinsichtlich der Forderung und/oder des Deliktscharakters sollte zumindest rechtzeitig Widerspruch gegen das Deliktsmerkmal eingelegt werden.

Der Gläubiger sollte bei einem Widerspruch des Schuldners, über den er informiert wird, gleichfalls sorgfältig prüfen, ob tatsächlich eine deliktische Handlung vorliegt und nachgewiesen werden kann. Darüber hinaus müssen sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner prüfen, ob und wann eine gerichtliche Klärung sinnvoll ist.

Für die weitere Überprüfung sollten Sie fachkundige Hilfe eines auf Insolvenzrecht spezialisierten Rechtsanwalts in Anspruch nehmen. Bei einer gerichtlichen Klärung trägt derjenige die Kosten, der den Rechtsstreit verliert.

Neue Schulden während der Privatinsolvenz

Was passiert eigentlich, wenn während der Privatinsolvenz neue Schulden entstehen? Ist die Restschuldbefreiung dann ausgeschlossen?

Alle Schulden/Verbindlichkeiten, die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits vorhanden waren, werden durch das Insolvenzverfahren entschuldet.
Werden nach diesem Zeitpunkt Waren bestellt oder Dienstleistungen in Anspruch genommen und nicht bezahlt, handelt es sich um sogenannte Neuverbindlichkeiten. Diese sind vom Insolvenzverfahren nicht erfasst. Der Gläubiger kann Neuverbindlichkeiten durch einen Mahn- und Vollstreckungsbescheid oder eine Klage gerichtlich durchsetzen. Auch kann er die Zwangsvollstreckung betreiben.

Eine Vollstreckung wird jedoch ins Leere gehen, da kein Vermögen mehr vorhanden ist. Das pfändbare Arbeitseinkommen ist bereits an den Treuhänder abgetreten (§ 287 Abs. 2 InsO) und wird vom Arbeitgeber in der Regel direkt an den Insolvenzverwalter überwiesen. Der Gläubiger wird daher bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung warten müssen, bevor er diese Forderung vollstrecken kann.

Es bleibt daher nur die Möglichkeit, die Neuverbindlichkeit schon während des Insolvenzverfahrens durch Ratenzahlungen oder sonstige Vereinbarungen auszugleichen. Einen neuer Restschuldbefreiungsantrag zur Entschuldung kann erst zehn Jahre nach Erteilung der Restschuldbefreiung gestellt werden (§ 287a Ab. 2 Ziffer 1 InsO).

Immer wieder findet man den Hinweis, dass die Restschuldbefreiung ausgeschlossen ist, wenn während des laufenden Verfahrens neue Schulden entstehen. Die Insolvenzordnung sieht keinen auf diese Situation explizit zugeschnittenen Versagungsgrund (§§ 290,295 InsO) vor. Tatsächlich wird die Restschuldbefreiung daher nicht durch die neuen Schulden gefährdet!

Dennoch kann es gefährlich sein, neue Schulden zu verursachen. In besonderen Fällen kann eine Aufklärungspflicht hinsichtlich der Insolvenz bestehen. Dies gilt insbesondere bei Abschluss eines Mietvertrages. Bei Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses muss nur dann über die Insolvenz aufgeklärt werden, wenn die Information für die zu besetzende Stelle von Bedeutung ist. Bei Vertrauensstellungen und insbesondere bei Tätigkeiten im Zusammenhang mit Zahlungsverkehr – beispielsweise Kassentätigkeit – hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse, über die Insolvenz aufgeklärt zu werden.

Bei Bargeschäften oder direkten Austauschverträgen ist es regelmäßig kein Problem, wenn der Vertragspartner nicht über die Insolvenz informiert wurde. Dies gewinnt erst dann Bedeutung, wenn es um nachträgliche Ratenvereinbarungen geht und der Vertragspartner den Vertrag bei Kenntnis des Insolvenzverfahrens nicht geschlossen hätte. Werden sodann der Kaufpreis oder fällige Raten nicht bezahlt, kann es sich um eine Straftat in Form eines Eingehungsbetruges handeln, der zu strafrechtlichen Konsequenzen führen kann.

Tipp:

Möglichst nur Bargeschäfte tätigen. Online-Bestellungen reduzieren und nur dann tätigen, wenn das Konto gedeckt ist!